Mittwoch, 10. November 2010

"Michelangelo: Zeichnungen eines Genies", Albertina, 10.11.2010

War heute, wiederum in sehr netter Begleitung, in der Michelangeloausstellung in der Albertina. Hinein sind wir um ca. 14:45, fertig waren wir um 17h - man schaut und schaut und merkt gar nicht, wie die Zeit vergeht. Theoretisch könnte man dann mit der einmal gelösten Karte auch noch drei andere Ausstellungen, unter ihnen die Picassoausstellung, und die Prunkräume (hier hängt Schiele herum, wenn auch "nur" als Faximile) anschauen. Hineingelinst haben wir ja zum Picasso, aber irgendwie wär's ein halbes Verbrechen gewesen, dort nur so flüchtig durchzugehen bei dem, was da herumhängt, also haben wir beschlossen, wir lassen's und kommen nochmal extra für den Picasso (außerdem hab ich eh auch noch anderen Leuten gesagt, ich geh mit ihnen in den Michelangelo - hin kommen werd ich also sowieso nochmal.)

Denn der Michelangelo hat's in sich. Die Ausstellung macht einen weiten Bogen, der das gesamte Leben des Künstlers umfasst, begonnen mit den allerersten Zeichnungen des etwa 15-jährigen Michelangelo bis zu den letzten Beweinungen Christis, die kurz vor dem Tod des Künstlers entstanden sind. Als Besucher geht man, ausgezeichnet informiert durch die sehr guten Texte zu den jeweiligen Großprojekten und Lebensabschnitten bzw. auch die kürzeren Texten neben den Bildern selbst von Zeichnung zu Zeichnung und versucht sie zu fassen, diese ganzen Linien, die sich verbinden, ohne, dass es einem ganz gelingt.

Dabei wird einem immer wieder die Vielfalt des Künstlers vor Augen geführt: Teilweise ist es unglaublich, wie fein der Mann gezeichnet hat, dann wieder ist man überrascht, wie schnell und kräftig die Linien sind - fast schaut es dann "fotografisch" aus, in der Art, in der flüchtige Bewegungen und Gesichtsausdrücke eingefangen werden. Bei allen Zeichnungen merkt man, wie genau Michelangelo beobachtet hat. Dadurch, dass der Künstler so alt geworden ist, ist über die Jahre auch Einiges an Material zusammengekommen, mit immer neuen Einflüssen und Richtungen.

Auffällig bzw. eher überraschend ist, dass die Zeichnungen oft sehr klein sind, dafür, dass sie als Vorlage für teil riesige Arbeiten verwendet wurden. Teilweise liegt das wohl an der verwendeten Papiergröße, es scheint ihm aber durchaus gefallen zu haben, viel auf einem Blatt zu haben. Was noch auffällt, ist, dass bei Zeichnungen manchmal große Teile sehr skizzenhaft belassen werden, Details aber ganz fein herausgearbeitet wurden. Das gibt diesen Blättern eine seltsame Faszination und macht sie teilweise sehr "modern".

Neben den Zeichnungen Michelangelos wird auch sein Schaffen in der Sixtinischen Kapelle (mit Entwürfen - und einem Scherzgedicht Michelangelos selbst dazu) und im Bereich der Bildhauerei in die Ausstellung aufgenommen. Weiters wird auf die Einflussnahme des Künstlers auf zeitgenössische und spätere Künstler eingegangen, die sich teilweise seiner Entwürfe bedient haben, um eigene Werke zu schaffen.

Sowohl zu den Zeichnungen, als auch zu Michelangelos anderen Betätigungsfeldern gibt es sehr interessante kurze Videos auf Deutsch und Englisch. Angeordnet ist die Ausstellung chronologisch, wodurch man die Entwicklung des Künstlers sehr gut nachvollziehen kann - sie wird auch in den Beitexten ergänzend beschrieben. Vom Betrieb her war überraschend "wenig" los - (Mittwoch) Nachmittag dürfte eine gute Zeit für den Michelangelo sein (beim Picasso hingegen war dann etwas mehr los).

Organisation der Ausstellung: Chronologisch und sehr übersichtlich; den Raum zur Sixtinischen Kapelle könnte man aber eventuell übersehen.
Bildpräsentation: Es kann einem im ersten Moment etwas schummrig vorkommen - die Wände sind auch in dünkleren Farbtönen gehalten, allerdings gewöhnt man sich. Die Farbe der Wände passt auch immer gut zu den Zeichnungen, die in teils uralten Rahmen und Passepartouts (1895 und früher) präsentiert werden.
Info an den Wänden/ neben den Bildern: Sehr informativ, ergänzend und teilw. auf Dinge hinweisend, die man sonst einfach übersehen hätte. Sehr fein.
Gesamteindruck: Absolut sehenswert. Auch, wenn man sich vllt. nicht für alle Motive begeistern kann; die Technik allein muss man gesehen haben. Wirklich beeindruckend, längerfristig.

Angeschaut in ca. 2 1/2 Stunden.
Eintritt für Studenten: € 7,-
Eintritt normal: € 9,50


Besonders gut haben mir gefallen:

Drei Stehende in weiten Mänteln 1494-96, Tinte
Albertina, Wien

Männlicher Rückenakt, ca. 1504, schwarze Kreide
Albertina, Wien (siehe Foto)
 
Detailstudien zu den Arbeiten in der Sixtinischen Kapelle:
Armstudie zur "Trunkenheit Noahs" 1508/9 und
Studie zum Adam aus der "Vertreibung aus dem Paradies"

Studien für die Libysche Sibylle 1511/12, Rötel
The Metropolitan Museum of Art, NYC (siehe Foto)

Lächelnder Jünglingskopf, Handstudie 1508/9
Musée du Louvre, Paris

Frauenkopf ca. 1540-43, Stift in Schwarz
The Royal Collection, Windsor Castle

Weitere Informationen: http://www.albertina.at/jart/prj3/albertina/main.jart?rel=de&content-id=1202307119260&ausstellungen_id=1232606865081&reserve-mode=active

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